Fitnesscoach Melanie von Fitme-licious hat bereits im ersten Teil dieser zweiteiligen Artikelreihe einen Überblick darüber gegeben, welche verschiedenen Intensitätsbereiche es im Ausdauersport gibt und wie man als Anfänger ganz einfach herausfinden kann, wo der individuelle Pulsbereich liegt.
Aufbauend darauf erläutert sie nun in Teil 2, was denn eigentlich im Körper passiert, wenn der plötzlich Sport machen muss & wie man als Anfänger nun am besten startet.
Folgende Adaptionsprozesse finden beim Sport statt:
Anpassung der Herzleistung:
Das Herz ist ein Muskel, der Blut (und damit Sauerstoff) zu den lebenswichtigen Organen transportiert. Wenn es zu körperlicher Belastung kommt, benötigt der Körper mehr Sauerstoff - somit muss mehr Blutvolumen durch den Herzmuskel gepumpt werden. In Ruhe pumpt das Herz pro Minute bei einem gesunden erwachsenen Menschen ungefähr 4,5–5 l/min durch den Körper (Herzminutenvolumen). Dieser Wert kann sich bei Belastung sogar versechsfachen(!). Dem Herz muss also die Chance gegeben werden, sich anzupassen. Ähnlich (als Beispiel aus dem Kraftsport) einem Gewichtheber, der 200kg Kniebeuge auch erst trainieren muss, um es bildhaft und extrem auszudrücken.
Anpassung der Gefäßleistung:
Gefäße haben die wunderbare Eigenschaft, dass sie unheimlich flexibel sind und sein müssen: Sie helfen mit das Blut aus der Peripherie wieder zurück zum Herz zu transportieren, indem sie sich zusammenziehen und weiten (Peristaltik). Bei ungeübten Sportlern muss diese Fähigkeit antrainiert werden.
Anpassung der Lungenkapazität:
In Ruhe atmen wir mit einem Atemzug 0,5l Luft ein uns aus. Bei normalen gesunden Erwachsenen kann der Wert bis zu 3l liegen. Tendenz im Alter sinkend (im Alter von 20 hat man das größte Atemvolumen zur Verfügung). Leistungssportler schaffen es auf 8l und Apnoetaucher auf 10l. Wir sehen also, die Grenze nach oben hin ist verschiebbar. Diese Fähigkeit muss von der Lunge aber auch erst trainiert werden. Mit dem Training lernt die Lunge also mehr und mehr Sauerstoff aufzunehmen. Das geht leider auch nicht von heute auf morgen.
Anpassung der Muskelkraft:
Egal welche Sportart, die Muskeln benötigen Zeit sich anzupassen. Erstaunlicherweise geschieht dieser Adaptionsprozess sehr schnell. Nach 2-3 Mal derselben Belastung spürt man deutliche Verbesserungen. Der Körper ist gewillt sich anzupassen!
Anpassung von Sehnen und Knochen:
Oft passiert es, dass sich ungeübte Sportler in ihrer Euphorie vom Nullsportler zum Marathonläufer entwickeln- innerhalb von 1-2 Jahren. Der längste und zäheste Adaptionsprozess wird hier immer wieder vernachlässigt: unsere Knochen und Sehnen müssen sich an die größeren Belastung erst anpassen. Oft kommt es bei "Überfliegern" daher schnell zu Abnutzungen, Knorpel-, Sehnen- und Bänderschäden. Hier sollte man nicht über das Ziel hinausschießen. Um chronische Verletzungen zu vermeiden, wäre hier die Begleitung eines Trainers von Vorteil.
Anpassung der Regenerationszeit:
Ungeübte Sportler benötigen eine längere Regenerationszeit. Auch im Alter nimmt diese Fähigkeit ab, da Abbauprozesse langsamer stattfinden. Wer also erst im Alter von 40 oder 50 mit Sport beginnt, kann seine Regenerationszeit nicht mit der eines 20-Jährigen vergleichen.
Aber egal ob 20 oder 50, es ist egal wann man anfängt - wichtig ist, DASS man anfängt, um dem Alterungsprozess entgegenzuwirken und das Fitnesslevel zu erhöhen. Je länger man zuwartet, desto schwieriger und länger wird es für den Körper, sich an Belastungen anzupassen.
Wenn der Körper plötzlich Sport machen muss:
Ich habe hier nun versucht relativ genau zu beschreiben, was eigentlich im Körper passiert, wenn man Sport macht. Nun stellt euch diese Adaptionsprozesse im Fall einer ungeübten Sportlerin vor:
Gabi F., 35 Jahre alt, hat seit 15 Jahren keinen Sport mehr gemacht, immerhin mit dem Rauchen aufgehört, ist aber leicht übergewichtig und möchte nun zu laufen beginnen. Das Herzvolumen, die Gefäßelastizität, Lungenvolumen, Muskelkraft, Knochen, Sehnen und Bänder sind an die "Belastungen" des Alltags angepasst - also Bürositzen, Autofahren und TV sitzen.
Jetzt entscheidet sich Gabi F. an Neujahr: "Ich mache ab heute Sport!"
Sie schnürt ihre Laufschuhe und beginnt die ersten Schritte zu laufen. Mit dem Laufen fällt ihr nun das Vielfache des Körpergewichts auf die Sehnen, Bänder und Knochen. Die Muskeln müssen die physikalischen Kräfte, die auf sie wirken, nun halten und benötigen durch den Kraftaufwand mehr Sauerstoff. Darauf erwacht das Herz-Kreislaufsystem aus seinem Dornröschenschlaf, denn es muss mehr Sauerstoff transportiert werden. Die Lunge ringt darum mehr Luft zu inhalieren, muss sich weiten, die eingerosteten Bronchien öffnen sich, das Herz ist bemüht diesen Sauerstoff zu den Gliedmaßen zu transportieren. Die Gefäße erfahren einen Welle an Blutvolumen, das sie vorher nicht kannten und müssen sich plötzlich dehnen, wie ein kaltes, altes Gummiband - also null Flexibilität. Eigentlich könnte man diesen Zustand als furchtbares Chaos beschreiben.
Gabi F. fühlt sich plötzlich unwohl, die Beine tun weh, sie hat Herzrasen, kriegt keine Luft und ist gerade mal 1,5km gelaufen - mit Gehpause. ... wundert niemanden, oder?
Gabi F. fühlt sich schrecklich, selbst Tage nach ihrer Sporteinheit spürt sie die "Knochen" und Muskeln. An eine weitere Einheit ist noch lange nicht zu denken - furchtbar, wie kann so etwas Spaß machen? Ich will ehrlich mit euch sein, es macht schlicht und ergreifend einfach keinen Spaß, wenn man als Ungeübter mit Sport beginnt. Die gute Nachricht: unser Körper ist gewillt sich an sportliche Belastung anzupassen und das kann er erstaunlich schnell und gut. Gabi muss also dran bleiben und sich nochmals aufraffen, um ein Erfolgserlebnis wahrzunehmen. Bereits nach der ersten Einheit und erfolgreicher Regeneration kann man die ersten Erfolge registrieren: Gabi schaffte so endlich 2km und beim nächsten Mal vielleicht schon 3 - ohne Gehpause. Die Fortschritte sind hier wirklich sehr individuell und, wie ihr vielleicht gemerkt habt, handelt es sich um ein fiktives Beispiel, daher die Zahlen bitte nicht für bare Münze nehmen!
Wie sollte ein Anfänger nun trainieren:
Es ist die Mischung aus Kraft- und Ausdauertraining (Mischung aus A1-A3, siehe Teil 1 des Artikels), die einen Körper leistungsfähiger macht. Wenn ein Anfänger mit körperlicher Leistung beginnt und er mit dem Lauftraining startet, kann es passieren, dass der untrainierte Herzmuskel schnell zu seiner Belastungsspitze (A4) kommt und Unwohlsein hervorruft. Sollte man also noch nie Sport gemacht haben, wäre es anzuraten, zu Beginn Sportarten auszuüben, die den Puls bei 70-80% des Maximalpulseshalten können: z.B. Radfahren. Optimales Ziel für eine gute Basis läge hier bei 30 Minuten pro Einheit.
Wichtig wäre hier: Einheitlichkeit und keine schwankende Belastung, um eine gute Ausdauerbasis aufzubauen. Der Körper kann sich so in Ruhe auf eine konstante Belastung anpassen. Schwankende Belastungen (Intervalltraining, Bergsteigen,...) können ergänzt werden, dennoch sollte sich die Basis am Anfang auf Kontinuität konzentrieren, wenn man langfristig seine Ausdauer stärken möchte. Oft höre ich, dass man täglich genug Kilometer mit den Hund raus geht oder mal am Wochenende Wandern. Spazierengehen ohne Pulserhöhung ist kein Ausdauersport! Sport = Erhöhung der Pulsfrequenz! Wandern ist ein durchschnittlich gutes Ausdauertraining, allerdings kommt es durch das Auf- und Ab schnell wieder zu Schwankungen der Pulsfrequenz. Optimal für eine gute Basisausdauer, wäre ein langsames monotones Bergaufgehen. Zu Beginn reichen 2 Einheiten pro Woche. Merke: Mit 1x pro Woche hältst du deinen Trainingsstatus, mit 2x steigerst du dich!
Es wäre also zu Beginn für eine gute Grundlage wirklich anzuraten ungefähr 30 Minuten eine konstante Sportart auszuüben. Das können im Fitnessstudio der Crosstrainer oder das Ergometer sein. Wem das zu langweilig ist, der kann gerne 1x ein HIIT (High Intensiv Intervall Training, Zirkel, Gruppenkurse) einbauen - dennoch nicht auf die Grundlage vergessen! Nur auf einem guten Fundament kann man Hochhäuser bauen. Wer draußen Laufen möchte, ist damit gut beraten lockeres Laufen und flottes Gehen in Abwechslungzu meistern. Gerade am Anfang kann es passieren, dass der Puls nicht konstant bleibt und sehr stark schwankt. Nicht wundern, das ist normal! Das Herzkreislaufsystem reagiert irritiert und instabil, es muss sich erst an die Belastung Schritt für Schritt anpassen. Denn nicht nur der Herzmuskel wird beansprucht, sondern auch das kollektive System zur Lebenserhaltung. Umso wichtiger ist hier Kontinuität und Stabilität.
Zusammenfassung zum Trainingsstart
2 Einheiten x 30 Minuten pro Wocheals Anfänger sollten eingeplant werden.
Entweder:
2x im Bereich A2 oder
1x A2 und 1x A3 in Verbindung mit Intervallen (Gruppenkurse, Bergaufwandern, Gehen-Laufen,..). Wenn man sich fitter fühlt, kann man die Zeit für A2 auf 60 Minuten ausdehnen.
Nach 3 Monaten sollten neue Trainingsreize gesetzt werden. Hier empfehle ich für eine kompetente Beratung die Zusammensprache mit einem Trainer eures Vertrauens.
By the way: 1x pro Woche Krafttraining wäre insofernsinnvoll, um Knochen, Sehnen, Bänder und Muskeln für die steigende Belastung zu stärken. Dass Krafttraining bei schlechter Haltung und beim Abnehmen hilft, muss ich wohl nicht zusätzlich erwähnen :-).
Spazierengehen ohne Pulserhöhung ist kein Ausdauersport!
Sport = Erhöhung der Pulsfrequenz!
Die gute Nachricht: unser Körper ist gewillt, sich an sportliche Belastung anzupassen und das kann er erstaunlich schnell und gut.
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Melanie Blaschka ist diplomierter Fitness- und Ernährungscoach und Mama einer kleinen Tochter. Auf ihrem Blog www.fitme-licious.at schreibt sie interessante Artikel zum Thema Sport, Fitness und Ernährung. Noch dazu gibt sie hilfreiche Tipps zum Leben als sportliche Mama und wie man es schafft, trotz vollem Alltag alles unter einen Hut zu bringen.